Hui, der Puls steigt. Edinburgh Flughafen, die Abenddämmerung setzt ein; und ich bin kurz davor unseren Mietwagen abzuholen. Gleich werden wir in unserem schnuckeligen Kleinwagen sitzen, den wir natürlich passend zu den schmalen, sich durch die Hügel Schottlands schlängelnden Straßen im Kompaktformat gebucht haben. Gleich werde ich zum ersten Mal in meinem Leben im Linksverkehr zurechtkommen müssen. Und das auch noch in finsterer Nacht! Wahhh! Der Puls steigt noch mehr! Da ist er dann auch schon, der schnuckelige Peugot. Hach, wie süß (der Puls sinkt wieder ein wenig; aber auch nur ein ganz klein wenig!). Und los geht’s: links!
Linksverkehr in Schottland
Och, das ist ja eigentlich ganz einfach. Grade mal einen geschätzten Kilometer gefahren und schon komm ich mir fast einheimisch vor. Bis dann aus der Schwärze der Nacht er auftaucht. Der Kreisverkehr. Erst im letzten Moment erkenne ich überhaupt, wie trickreich er ist. Da liegt er ruhig eingebettet in die Landschaft, sieht aus, wie alle anderen Kreisverkehre, deren Bekanntschaft ich so machen durfte. Aber als echter Schotte will er natürlich, dass wir linksrum einfahren, nicht wie daheim rechts rum. Das sagt er aber nicht, er zeigt das nicht, kein Schild, kein Pfeil nur Understatement. Ich will das Lenkrad nach links einschlagen, aber mein Hirn schreit „HALT! FALSCHRUM!“, ich sage dem Hirn „ne, Hirn, Schottland hier, links stimmt!“. Das Hirn scheint ein Einsehen zu haben. Bis das Auto weiter nach links einschlägt. Das Hirn schreit lauter „HAAAALT! FAAALSCH!“. Da meinem Hirn die Kreiselfahrt so suspekt zu sein scheint, versichere ich mich bei meinem Beifahrer, dass wir auch ja korrekt im Kreisel fahren. Auch er muss das erstmal einen Moment mit seinem Oberstübchen klären, dann aber erhalten mein Hirn und ich die Rückversicherung, die wir brauchen, um den wohlgerundeten Kreisverkehr angemessen zu durchfahren. Beim Ausfahren sind wir fast ein wenig stolz auf uns. Jetzt sind wir echte Linksrum-Profis.
Ab jetzt „flutschts“, am nächsten Morgen schon, mit Links im Blut, rollt unser Peugotchen durch die Traumlandschaften um den Loch Lomond, durch einen entzückenden Bilderbuchort nach dem anderen, über Hügel, durch Täler - und um ein Schaf nach dem anderen! Himmel, was wollen die alle auf den Straßen?! Diese Frage können wir uns an Tag 3 beantworten, nachdem wir unsere erste von vielen tollen Wanderungen beendet haben. Es ist schon mitunter das Beste an einem Roadtrip, dass man einfach durch die Gegend cruisen kann und wenn sich nach der nächsten Kurve ein besonders schöner Flecken Erde auftut, dann hält man einfach, parkt den Wagen und macht ein Päuschen zum Genießen oder legt los mit einer Wanderung. Genau solch eine Wanderung hat uns dann gezeigt, was die Schäfchen auf die Straße treibt.
Schafe auf der Straße
Schottland ist das Land des Whiskeys, des Haggis, der Glens und Munroes und das Land der Steine! In der Regel sind Besucher von der genialen Umgebung so geblendet, dass es ihnen gar nicht auffällt, aber sobald man den Süden des Landes verlassen hat, wird man die größte Mühe haben auch nur einen einzigen steinfreien Quadratmeter zu finden – genau dieses Problem haben auch die tierischen Einwohner. Es läuft sich einfach doof so übers Geröll. Wenn sich dann ein nettes, ebenes Sträßchen anbietet, wer könnte da nein sagen?!
Es ist wirklich ganz entzückend zu beobachten, welche Routinen sich bei den Tieren dort eingeschliffen haben. Tatsächlich gehen viele Weidetiere – ohne jede Anleitung durch Menschen – morgens von ihren Ställen auf die Weide und abends wieder zurück. Natürlich benutzt man als pragmatisches Weidetier hierfür die Straßen. Wer zum Sonnenuntergang durch die Gegend fährt findet entsprechend lauter verstreute Kleingruppen von Vierbeinern auf den Straßen in Richtung Nachtlager schreiten.
Aber nicht nur zum Laufen eignen sich schottische Straßen und Straßenränder, sondern auch zum Schlafen. Man muss nicht die Prinzessin auf der Erbse sein, um zu wissen, dass es sich auf Steinen schlecht ruhen lässt. Das weiß man auch als Rind. Gerne lässt man sich als Kuh daher zu einem Verdauungsschläfen an der Straße nieder. Wir sind aus dem Staunen gar nicht mehr rausgekommen...
Kühe auf der Straße
Kühe in Schottland
Nie hätten wir das alles erwartet, nie hätten wir gedacht, dass ein Roadtrip durch Schottland die reinste Safari ist! Es war einfach genial.