Auto auf beschädigter Straße
Hätte ich vorher gewusst, was mir blüht: Ich hätte diese Reise nie unternommen. Jetzt stehe ich hier mit meinem Wagen, in einer Nebenstraße der ukrainischen Provinz, vor einem Berg Kies, der mir radikal den Weg abschneidet. Ein Prozent der ukrainischen Straßen entspricht der europäischen Standards, das lese ich auf der Internetseite des Auswärtigen Amts, während ich überlege, was ich jetzt mache. Egal, wo du auf dieser großen weiten Welt gestrandet bist, schlechte Nachrichten erreichen dich überall.
„Pomosh“, rufe ich einem älteren Mann mit dunklen Haaren, die unter einer ungewaschenen Wollmutze hervorlugen, zu. Er schleppt zwei Eimer, aus denen Pansengeruch zu meinem Fenster dringt. „Bitte.“
Der Mann macht eine rasche Handbewegung in meine Kopfrichtung. „Dawai, dawai.“
Weiter musst du, es hilft doch nichts.
Ich bin von Frankfurt über Dresden nach Krakau gefahren. Bis hierher noch auf gut ausgebauten Straßen, von europäischen Subventionsgeldern finanziert. Danzig und Warschau zogen an mir vorbei, aber ich hatte ein anderes Ziel. Die fein geteerte Autobahn, der Horizont, der mir immer näherkam, das Gefühl einer Reise, die mit dem eigenen Wagen die maximale Freiheit suggerierte: All das fand hinter der Grenze zur Ukraine ein Ende. Ein Rütteln, ein Raunen, ich sollte aussteigen. Mein Wagen wurde von Soldaten inspiziert; ich fand mich in der wohligen Umarmung einer Kalaschnikow. Kein Lächeln ging den jungen Soldaten und Soldatinnen über die Lippen, keine Antwort auf meine englischen Ersuchen, mir das Grenzprozedere zu erklären. Das hier ist also die Welt außerhalb der Europäischen Union, gespickt mit russischen und polnischen Wortfetzen und Anweisungen, denen mit Fingerzeig Nachdruck verliehen wurde. Und ihnen allen stand nur eine Frage in den Augen: Was zur Hölle willst du hier?
Roter Lada unterwegs in der Ukraine
Knapp zweitausend Kilometer musste ich von Frankfurt nach Ternopil fahren, um zu verstehen, was sie gemeint haben. Schon bald würde ich auf einem steinigen Morast verenden, in der südlichen Ukraine begraben. Ich stelle den Rückspiegel ein, atme durch. Dann hupt es hinter mir. Ein rostiger, dunkelgrüner Lada überholt mich, die Reifen durchgedrückt, die Stoßdämpfer nicht existent. Die Fahrerin mittleren Alters raucht genüsslich an ihrer Zigarette, während sie mit der anderen Hand das Lenkrad festhält. Ihr Wagen wird auf dem Kies durchgeschüttelt, ihr Blick ist starr nach vorne gerichtet. Ich schmeiße meinen Motor an, drücke aufs Gaspedal, fahre los. Dawai dawai, denke ich.