Die große Freiheit zwischen zwei Jobs, mitten im kalten deutschen Winter: Wann gibt es im Leben eine bessere Chance, das Ende der Welt zu entdecken?
Mit einer groben Route im Kopf, dem Zelt im Kofferraum und den guten Wünschen unserer Bed-&-Breakfast-Lady im Herzen brachen wir auf. Springen wir also zurück ins Abenteuer, in den Januar 2016.
Dunedin – Milford Sound – Te Anau – Queenstown – Wanaka – via Franz Josef Gletscher nach Punakaiki – via Abel Tasman Nationalpark zu den Marlborough Sounds – Tongariro – Coromandel – Auckland
Aufwachen mit Regenbogen
Mein erster Blick aus dem Zelt fällt auf einen Regenbogen. Der zweite auf den dampfenden Becher, den Matti mir unter die Nase hält. Kaffee! Unser Ziel ist der Milford Sound – ein Fjord im Südwesten der Insel. Je höher wir auf dem Weg dorthin gefahren sind, desto spektakulärer wurde das Bergpanorama – und desto kälter die Nächte. Verfroren brechen wir im Morgennebel unser Zelt ab, um pünktlich am Ableger der Milford Cruise zu sein.
Drei Stunden später entschädigt der Blick vom Boot uns für Jetlag und müde Knochen: Auf den Bergspitzen hocken Nebelwolken, Wasserfälle stürzen von den Steilwänden in den Sound, und in der Bugwelle unseres Boots spielen Delfine. Sie lassen sich vom Wasser den Bauch kraulen, sagt die Crew.
Blick über den Milford Sound
Delfin im Wasser
Majestätische Sounds, einsame Gipfel und grüne Bergseen sind aber nicht alles, was der Fjordland National Park zu bieten hat. In Te Anau entdecken wir ein echtes Highlight.
2. Zwischen Glühwürmchen in Te Anau
Wir liegen in der Finsternis auf dem Rücken und betrachten abertausend leuchtende Punkte über uns. Wasser rauscht, und eine hallende Stimme erklärt das Universum. Das Universum der Glowworms. Was wie der Sternenhimmel im Star-Wars-Intro aussieht, ist in Wirklichkeit die riesige Höhle von Te-Anau, durch die wir im Kanu gleiten. Sie ist berühmt für ihre Bewohner, die von der Decke hängen und mit ihren leuchtenden Hinterteilen Insekten anlocken. Je heller das Licht, desto hungriger der Glowworm. Wir staunen. Manchmal liegt ein unbekanntes Universum tatsächlich nur eine Armlänge entfernt.
Blick über den Lake Wanaka
„Four Seasons in a Day“ hat Crowded House gesungen. Haben sie Neuseeland gemeint? Heute Morgen haben wir im Fjordland unter Thermo-, Merino- und Fleece-Schichten gebibbert, jetzt stehen wir in Queenstown bei 25 Grad in der Schlange vor der Eisdiele. Gut, dass ich so viele Klamotten mithabe. Weibliche Intuition halt. Nach dem Eis geht’s gleich weiter, denn wir wollen nach Wanaka.
Der Blick von den Bergen auf Lake Wanaka verschlägt uns die Sprache. Dabei ist diese Wanderung nur der Bonustrack. Wir sind wegen etwas anderem gekommen: Hier – auf der anderen Seite der Welt – liegt das „Cinema Paradiso“, das vielleicht beste Kino der Welt. Blockbuster und B-Movies, Knautschsofas und selbstgebackene Plätzchen, ein Angestellter, der mit seinem XXL-Handstaubsauger wie ein Ghostbuster aussieht: Was mehr kann man von einem Kino verlangen? Ach ja, Eiscreme. Zum Geburtstag gebe ich Matti einen Kübel voll aus.
'Cinema Paradiso' - Kino am Ende der Welt
Food Trucks - Besitzer cool, Essen klasse
Wir düsen weiter, die Westküste hoch. Mittlerweile sind wir ein eingespieltes Reise-und-Speise-Team: Morgens als Zombies einen Coffeeshop suchen, mittags als Menschen zum Picknick anhalten, nachmittags als Fans auf die Bremse treten, wann immer ein Foodtruck auftaucht.
Das Essen dort ist super. Nur mit „Whitebait Fritters“ können wir uns nicht anfreunden. Wie kommt man auf die Idee, bleiche, fingerlange Fischlarven zu Röstis zu verbraten? Wir finden die Dinger fade, doch bei Neuseeländern lösen sie die gleiche Euphorie aus wie Spargel bei uns. Liegt’s daran, dass die Whitebait-Saison auch nur kurz ist?
Unser nächstes Ziel sind die Pancake Rocks. Nein, nichts zum Essen, sondern Felsen, die wie Pfannkuchentürme aussehen. Zwischen den Gesteinsschichten haben Ebbe und Flut das Erdreich im Laufe der Jahrtausende weggewaschen und so diese Form geschaffen. In der Nähe der Gemeinde Punakaiki gibt es die meisten Türme, eine Pancake City quasi.
Pfannkuchenstapel aus Stein
Bei Flut branden die Wellen mit Wucht in die Hohlräume unter den Türmen. Manchmal schießt dann eine Wasserfontäne durch ein Felsloch in den Himmel. Wie bei einem Wal.
Urwald in Neuseeland
Der Guard unseres Campingplatzes kennt aber auch Schönheiten abseits solcher Touriattraktionen. Er schickt uns in den Punakaiki Forest. Der ist ganz anders als die Wälder daheim. Baumhohe Farne, hängende Moose, unbekannte Pilze, Pflanzen in fifty shades of green und sogar eine Hängebrücke. Wir sind uns einig: Campingplätze gehören zu den besten Umschlagplätzen für Reisetipps.
Per Postboot durchs Labyrinth
Wer sich öfter mal verfährt, sollte auf keinen Fall als Postboote in den Marlborough Sounds anheuern. Das kleine Gebiet im Norden der Südinsel ist ein wahres Labyrinth. Seine zahlreichen Meeresarme haben eine Küstenlinie von rund 1500 Kilometern. Zum Vergleich: Von Flensburg nach München ist es halb so weit. Das alles kann Skipper Jim nicht schocken, der täglich mit dem Pelorus Mailboat rausfährt. Fahrgäste wie wir helfen, die Fahrten zu finanzieren. So kriegt auch der abgelegenste Hof Briefe, Amazonpakete – und Rechnungen.
Jim kennt jeden hier, wird oft sehnsüchtig erwartet. Er zeigt uns unterwegs Vögel, Stachelrochen, Muschelfarmen und erzählt, dass versteckt in den Meeresarmen Luxusferienhäuser liegen, zu denen sich schon mancher Weltstar hat übersetzen lassen, um seine Ruhe zu haben. Für uns kein Problem: Wir erklären das Kunekune-Schwein auf dem nächsten Steg zu unserem persönlichen Weltstar und freuen uns, dass niemand die himmlische Ruhe von uns Normalos stört.
Oldtimer in Wellington
Wo ist die Zeit geblieben? Wir sind schon viel länger auf der Südinsel als geplant. Nun nehmen wir schweren Herzens Abschied und setzen nach Wellington über. Unser tapferes kleines Auto ist dabei in bester Gesellschaft. Auf der Nordinsel findet nämlich ein Oldtimer-Treffen statt, und die alten Prachtstücke warten Stoßstange an Stoßstange auf die Fähre. Wir fühlen uns wie im Automobilmuseum.
Drüben angekommen, geben wir Gas. Wir wollen ins Zentrum der Nordinsel, um den Tongariro Alpine Crossing zu wandern. Unser Weg führt über den Volcanic Highway.
Als wir in Tongariro ankommen, heißt es, dass wir unsere Wanderung übers Vulkanplateau verschieben müssen. Die Wettervorhersage ist schlecht. Safety first! Am nächsten Tag geht es früh raus. Das Wetter passt, der Vulkan ruft, der Bus wartet. Unser Busfahrer und sein Team singen zum Aufbruch ein Lied in ihrer Muttersprache Maori und wünschen uns alles Gute. Nun habe ich richtig Respekt!
Emerald Lakes
Der Schotter und ich
Die nächsten Stunden sind Sonnenaufgang, Schweiß, Schotter, leuchtendgrüne Emerald Lakes, noch mehr Schweiß, ein roter Kraterschlund auf 1886 Metern, Höhenangst, Ausrutschen im Schotter, ein tiefblauer See, an dem wir erschöpft Kalorien in uns stopfen, heiße Quellen, die uns beim Abstieg Wolken hinterherpusten. Eine Landschaft wie auf einem fremden Planeten.
Coromandel Beach auf der Nordinsel
Coromandel Beach von oben
Was kann jetzt noch kommen? Betrunken von unseren Eindrücken gondeln wir weiter nach Norden, essen Real Fruit Ice Cream, mit deren Rezept wir daheim reich werden wollen, halten in der Heimatstadt der Kiwifrucht und verbuddeln uns auf der Coromandel-Halbinsel mit hundert anderen Bekloppten in einem Strand, unter dem eine Heißwasserader verläuft. Sitzen im Sandloch, bis uns der Hintern brennt.
Buddelei am Hot Water Beach
Den ultimativen Tipp kriegen wir wieder in der Campingplatzküche, wo sich ein Hardrocker, ein Profi-Holzfäller und ein pensionierter Mitarbeiter des Britischen Geheimdienstes eingefunden haben. Gar nicht weit von hier sei ein einsamer Strand, an den man nur zu Fuß gelangt.
Wir sind dann bis zur letzten Nacht in der Nähe des Strands geblieben. Falls Ihr mal nach Neuseeland fliegt, schicke ich gern die Koordinaten – Ihr könnt mir ja meinen Bikini mitbringen, der wahrscheinlich immer noch im Sand liegt …
Gute Nacht, Neuseeland