Müsste ich unseren ersten Roadtrip spontan in einem einzigen Wort beschreiben, wäre dies wohl „Improvisation“. Ganz dicht gefolgt von „Wahnsinn“. Was sind die zwei unverzichtbaren Dinge, die einen Roadtrip so besonders machen? So dass man auch Wochen und Jahre später immer wieder die selben Storys hervorholt, die bei allen Anwesenden mittlerweile ausnahmsloses Gähnen verursachen? Richtig. Beste Freunde und Improvisation. Kein Zündstoff eignet sich besser für einen erfolgreichen Roadtrip als das permanente Erleben von nicht geplanten Ereignissen. Nachdem wir alle das Jahr über mehr oder weniger ins Studium verwickelt waren, fiel relativ spontan im Sommer 2016 die Entscheidung, dass endlich mal ein gemeinsamer Roadtrip her müsse.
Über das „Wie“, „Wohin“ und vor allem „Wie teuer“ machten wir uns kaum Gedanken. Vorerst zumindest. Aber zum Anfang:
Ich heiße Jurij. Ich würde mich an dieser Stelle kurz selbst beschreiben, aber das gehört nun mal nicht zum guten Ton und ich möchte noch ein wenig sympathisch wirken.
Als erstes haben wir Niclas. Etwas kleiner, muskulös, gelocktes Haar und tolle braune Augen. Hab ich toll gesagt? Wir haben Bene – etwas massiver, pragmatisch, gutmütig und zugegebenermaßen auch ab und an der kluge Kopf unserer Gruppe. Eine typische „Macher“ - Persönlichkeit. Und zuletzt - jeder Freundeskreis braucht diese eine Person, die man nur beim Nachnamen nennt – haben wir Salle; abgeleitet von Salewski. Ähnliche Statur wie Niclas. Erst durch seine Sprüche und seine Ideen wird unsere Gruppe komplett und ist dank ihm auch heil wieder zurückgekehrt.
Was einem guten Roadtrip im Nachhinein noch das Sahnehäubchen aufsetzt sind gute Insider. All die witzigen Dinge, die man sagt oder tut und die nur aufgrund der bestehenden Situation lustig sind. Bei uns entstand die meiste Situationskomik durch die Personifikation unserer Reisekasse. Und die hasste uns schon von Beginn an. Sie hängt uns bis heute noch immer mit den Worten „Ich hab`s euch ja gesagt“ in den Ohren.
Voller Vorfreude im Englischen Garten.
Der Roadtrip begann in Hamburg. Mit dabei die drei eben genannten Pfeifen in kurzen Hosen und Flip-Flops; ein sehr alter Mercedes Benz C200 und eine dazugehörige Dachbox, die neu gekauft so gar nicht ins Gesamtbild passte. Es ging erst einmal auf einen Abstecher zu mir nach München. Bei einem Hendle und einer Mass Bier am chinesischen Turm war uns dann endgültig allen klar: Jetzt ging es richtig los. Jeder schmiss einen festgelegten Geldbetrag in einen Briefumschlag. Hiervon wollten wir alle gemeinsamen Dinge bezahlen wie Sprit, Übernachtungskosten, Restaurantbesuche, Camping Plätze, Mautgebühren, usw. Unsere Reisekasse war geboren. An diesem Abend ging es ihr auch noch gut.
Das Pfand für die Mass hat standesgemäß niemand zurück bekommen (zur Erklärung: Die Mass wurde geklaut).
Der Wecker riss uns um 5 Uhr aus dem Schlaf. Duschen, anziehen, und los. Erster Stopp: Mailand; Italien. In letzter Sekunde eine halbwegs bezahlbare Unterkunft über Airbnb gefunden. Aber so ist das halt, wenn man sich ins Auto setzt und einfach losfährt. Dafür drei U-Bahn Stationen vom Zentrum entfernt. Strahlend blauer Himmel. Das Birra Peroni schmeckte hervorragend und die Witze in der Galleria Vittorio Emanuele über den Einzug in das TownHouse Galleria waren lustig. Unsere Reisekasse, die schon leicht abgenommen hatte, lachte am lautesten.
Steine von der Straße räumen
Eine Bekannte von mir besitzt ein kleines Haus in Dolcedo; Italien, mitten in den Bergen mit einem großen Stück Land. Dort wollten wir zu Besuch vorbeischauen. Allerdings ging es erst mal mitten in die Pampa. Unmittelbar auf kilometerweite, schmale und steinige Wege; nur Zentimeter vom Abgrund entfernt. Ich kann mich nicht erinnern, Bene an diesem Tag einmal ohne Zigarette im Mund am Steuer gesehen zu haben. Es war seine Karre, also fuhr er. Während er schweißnass hinterm Steuer saß, räumten wir immer wieder große Steine aus dem Weg, da wir sonst nicht weiter gekommen wären. Damit waren wir einen ganzen Tag beschäftigt. Immer durchzogen von ächzenden Geräuschen des Mercedes und den darauffolgenden panischen Schreien von Bene.
Unsere "Karte"
Das Beste an der ganzen Sache: Da meine Bekannte nicht viel von Google und Smartphones hielt (weil schon ältere Generation und so), bekam ich ein DIN4 Blatt mit einer selbstgemachten Zeichnung. Ohne Internet in den Bergen, war das tatsächlich unsere einzige Orientierung. Wir hatten keine Ahnung, dass wir erst weit nach Sonnenuntergang ankommen würden.
Bevor wir zum Highlight unseres zweiwöchigen Roadtrips kommen, sei an dieser stelle noch kurz der legendäre Campingplatz in Diano Marina erwähnt. Wir hausten unter einer Straße, am Abgrund zum Meer, mit einem Zaun davor. Die ganze Nacht schien eine große, helle Lampe über unserem Zelt. Der Campingplatz musste allerdings sein, um die Nerven unserer Reisekasse etwas zu schonen. Denn die war die einzige, die mittlerweile keine Ahnung mehr hatte, wie wir überhaupt noch nach Hause kommen sollten.
Das Highlight unseres spontanen Roadtrips durch Italien war Benes 24. Geburtstag und sein damit verbundener Wunsch einmal nach Monaco ins legendäre Casino de Monte Carlo zu fahren. Allein auf dem Weg dorthin brach unsere Reisekasse aufgrund der völlig gestörten Mautgebühren immer wieder unaufhaltsam in Tränen aus. Vor Ort dann folgendes Bild: Wer schon einmal in Monte Carlo war, kennt sicherlich den Platz vor dem Casino. Dort steht keine Karre im Wert von unter 100 Riesen. Geld spielt dort nicht mal eine Komparsenrolle. In dieses Bild rollte nun ein alter Benz mit Dachbox. Umringt von millionenschweren Autos, Sonnenbrillen und Gucci Handtaschen. Die vier braun gebrannten Insassen mit Flip-Flops und Tank Tops entschieden sich letztendlich doch noch zwei Straßen weiter zu parken. Wir hätten es ansonsten vermutlich mit dem SEK zutun bekommen. Vor einem mattschwarzen Aventador standen wir in Boxershorts auf der Straße und zogen unsere völlig zerknitterten Hemden und schmutzige Sneaker an. Außer Bene sahen wir einfach nur scheiße aus. Überraschender Weise kamen wir tatsächlich rein.
Casino Monte-Carlo in Monaco
Um ein Haar Millionäre geworden.
Während sich unsere Reisekasse also vorsorglich mit Billigfusel unter eine Brücke setzte und die anderen ihr letztes gespartes Geld an den Tischen verzockten, war ich der einzige, der tatsächlich am Automaten etwas gewann. 20 Euro. Damit konnte ich uns dort zur Feier des Tages nicht mal ein paar Getränke kaufen. Spielte aber auch keine Rolle. Denn was den Roadtrip so erzählenswert macht, war mit keinem Jackpot aufzuwiegen. Das waren nämlich die drei Pfeifen in den zerknitterten Hemden, die vergeblich versuchten in einem der bekanntesten Casinos der Welt nicht aufzufallen. Am Ende des Tages sitze ich doch lieber mit ihnen in einem scheppernden, alten Mercedes - mit einer ausgebrannten und nörgelnden Reisekasse auf der Rückbank.
Grüße gehen raus an die Boys.
Ende.